
Sind Wir Wertlos?
Vom Geldschein bis hin zur Sklaverei
BETRACHTUNG
Nimm dir ein paar Minuten Zeit, und überlege, ob dein Leben in sich wertvoll ist oder ob es nur wertvoll ist, weil du es als wichtig empfindest.
Fertig? Gut. Starten wir los!
Wenn jemand einen 10€-Schein in der Hand hält, erkennt jeder den Wert dieser Banknote an. Es sind 10€ und ich kann damit etwas kaufen. Genau gesagt, kann ich damit etwas im Wert von 10€ kaufen.
Hier ist aber das Lustige:
Der materielle Wert eines 10€-Scheins ist eigentlich acht Cent.
Warum kann ich mit einem Acht-Cent-Stück Papier etwas um 10€ kaufen?
Dafür gibt es nur einen Grund: Wir einigen uns alle darauf.
Geld hat seinen beschrifteten Wert nur, wenn alle involvierten Parteien zustimmen, dass es tatsächlich diesen Wert besitzt.
Aber auf sehr einfacher Weise kann ein Geldschein seinen Wert verlieren: Wenn wir uns nicht einig sind, dass er den bedruckten Wert hat.
Der Wert des Geldes ist nämlich vom Menschen abhängig. Wir können bestimmen, ob man mit 10€ ein ganzes Dorf kaufen kann oder ob man sich damit nicht einmal eine Flasche Wasser leisten kann.
Ein 10€ Schein ist also nicht in sich wertvoll. Nur weil wir ihm einen Wert zuordnen, ist er wertvoll.
Diese Beobachtung lässt zwei Fragen aufkommen:
1. Gibt es noch etwas wie Geld, das nicht in sich wertvoll ist, sondern nur einen von uns zugeschriebenen Wert besitzt?
2. Gibt es etwas, das in sich wertvoll ist und diesen Wert auch dann behielte, wenn Menschen es verleugnen und als wertlos ansehen würden?
Fangen wir mit der ersten Frage an:
Was hat nur den Wert, den es von uns zugeschrieben bekommt?
Es ist natürlich klar ersichtlich, dass Geld eine passende Antwort auf diese Frage ist. Aber ich glaube, dass nicht nur Geld, sondern viele weitere Sachen gelistet werden können.
Nach längerem Überlegen erlaube ich mir Folgendes zu behaupten: Ich würde sagen, dass alles, was ausschließlich der materiellen Welt angehört, nur den von Menschen (und vielleicht auch von Tieren) angesehenen Wert habe.
Überleg dir mal:
Ein Tisch ist nur wertvoll, weil ich ihn als Schreibtisch verwenden kann. Ohne mich ist ein Tisch kein Tisch, sondern nur eine bedeutungslose Form.
Ein Auto hat nur einen Wert, weil ich es als wertvoll empfinde, schnell von Ort zu Ort herumzuflitzen. Ohne mich rostet das Auto leblos am Straßenrand. Wenn ich einem Auto keinen Wert zuordne, hat es auch keinen Wert.
„Äußerliches“ kommt mir auch in den Sinn - das äußerliche Aussehen von Personen, aber auch das Äußerliche von etwa Autos oder Gebäuden. Das Aussehen von Sachen und Menschen ist nur wertvoll, wenn wir es einen Wert zuschreiben.
Materielles, so scheint es mir, erhält ihren Wert ausschließlich vom Verwender oder Besitzer zugeschrieben.
Ein altes zerrissenes T-Shirt ist für mich, der viele andere hat, wertlos. Es ist ein Fetzen, den ich wegschmeiße.
Ich arbeite am Motor meines Autos. Meine Hände sind ölverschmiert. Auf einmal hat dieses zerrissene T-Shirt, dieser Fetzen, für mich einen Wert, weil ich ihn beispielsweise verwenden kann, um meine Hände abzuwischen.
Wenn ich unter Umständen in einer schwierigen Situation bin – ich habe zum Beispiel mein ganzes Hab und Gut verloren – aber ich noch dieses T-Shirt habe, ist es dann nicht um Vieles wertvoller für mich, da ich nichts anderes zu tragen habe?
Widmen wir uns jetzt der zweiten Frage:
Gibt es etwas, das in sich wertvoll ist und unabhängig menschlichen Urteils diesen Wert behält?
Was ist wertvoll, auch wenn alle Menschen der Erde dessen Wert verleugnen?
Eine klare Antwort sticht hervor: ein menschliches Leben.
Könnte es sein, dass ein menschliches Leben in sich wertvoll ist?
Würde es wertvoll bleiben, wenn jeder vehement behaupten würde, es sei wertlos?
Nehmen wir da ein Beispiel zur Hand:
Versetzen wir uns in das Jahr 1821. Ein zehn-jähriger Bub wird in Ketten von Afrika nach Nordamerika verschleppt. Etliche Monate lang hungert er als Gefangener im Rumpf einer Galeone, bis er endlich abgemagert und kränklich in der amerikanischen Stadt Charleston ankommt. Dort wird er unter Peitschenhieben zum Sklavenmarkt getrieben. Stundenlang steht er auf einer Bühne, während der Verkäufer versucht ihn den Kunden anzudrehen. Schließlich wird er um fünf Dollar verkauft. Der neue Besitzer dieses Jungen ist nun sein Herr. Der Herr bestimmt, ob er lebt oder stirbt; der Herr bestimmt, wie er lebt oder stirbt.
In den Augen seiner Zeitgenossen, ist dieses zehn-jährige Sklavenkind wirtschaftlich gesehen ein Produkt. Menschlich gesehen gehört er laut seinen Zeitgenossen, aufgrund seiner Hautfarbe, zu einer „Unterrasse“ des Menschen.
Er wurde um fünf Dollar verkauft.
Sowohl der Verkäufer, der Käufer und ein Großteil der Gesellschaft scheinen im Konsens zu sein, dass der Wert dieses Jungen fünf Dollar ist.
Hier ist meine Frage:
Bekommt der Mensch seinen Wert vom Menschen verliehen (ähnlich wie im anfangs genannten Beispiel des 10€-Scheins)?
Wenn ja, dann würde dies bedeuten, dass die Sklavenhändler kein Unrecht getan haben, denn sie haben bestimmt, dass der arme Junge ein Fünf-Dollar-Produkt ist, und so haben sie ihn auch dementsprechend artgerecht behandelt.
Natürlich könnte man Einwand erheben und argumentieren, dass nur der Junge bestimmen darf, welchen Wert sein Leben hat. Allerdings müsste man dann Folgendes akzeptieren: Sollte der Junge sein eigenes Leben nicht wertschätzen und beispielsweise Suizid begehen wollen, dann würde dies bedeuten, dass sein Leben dann auch tatsächlich keinen Wert hat – einzig, weil er es so empfindet.
Wenn wir behaupten, dass der Mensch seinen Wert vom Menschen verliehen bekommt, gibt es weitreichende Folgen. Denn dann hat der Mensch die Freiheit einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, wenn er es als wertlos ansieht. Ist das nicht genau das, was ich mit einem wertlosen Tisch machen würde? Würde ich nicht dasselbe mit meinem Fetzen-T-Shirt machen, wenn es für mich keinen Wert mehr hat? Einfach wegschmeißen?
Passiert das nicht eh schon in unserer Gesellschaft?
Nennen wir uns nicht die Herren der Wertgebung?
Überleg mal:
Wie stehen wir zu Ausländern, die ein besseres Leben in unserer Heimat suchen?
Wie behandeln wir Obdachlose, die am Straßenrand um ihr Leben betteln?
Wie sehr wertschätzen wir ungeborenen Babys, deren Leben vor dem ersten Atemzug terminiert wird?
Ja, scheinbar gefällt es uns, wenn ein Unbekannter ängstlich zitternd, wie ein Geldschein im Wind, auf den Kursverlauf des Lebens blickt, um zu sehen, welchen Wert seinem Leben heute verliehen wird.
Ja, es gefällt uns – solange wir diejenigen sind, die den Wert bestimmen.
Das wäre also meine Schlussfolgerung, wenn wir die Frage mit ja beantworten.
Ja, der Mensch bekommt seinen Wert vom Menschen verliehen.
ABER:
Was ist wenn wir die Frage mit nein beantworten?
Schauen wir mal:
Bekommt der Mensch seinen Wert vom Menschen verliehen?
Nein.
Na ja, so weit so gut, würde ich sagen. Jetzt kommts aber:
Was passiert nun mit diesem Sklavenjungen?
Sein Leben ist jetzt nicht mehr fünf Dollar wert. Niemand, nicht der Verkäufer und nicht sein neuer Besitzer dürfen bestimmen, welchen Wert er hat. Denn er bekommt seinen Wert nicht vom Menschen verliehen. Er ist ganz einfach unersetzbar wertvoll und die Verbrechen, die an ihm begangen wurden, sind die schlimmsten Übeltaten, die es gibt. Denn er wurde als weniger behandelt, als er ist.
Und was passiert dann mit dem Ausländer?
Was passiert mit dem Obdachlosen?
Was passiert mit dem ungeborenen Baby?
Sind sie dann nicht auch unersetzbar wertvoll?
Ich wittere jetzt bei dir eine Frage. Ja sie brodelt auch in mir.
Woher kommt dann dieser Wert des Lebens, wenn er jetzt nicht vom Menschen verliehen wird?
Überlegen wir es uns einmal so: Wir schreiben einem Geldschein Wert zu. Wie können wir das machen? Wir sind kreative Wesen, die auf die Idee kommen können, rechteckige Papierstücke zu erstellen. Wir haben Persönlichkeiten und Vorlieben und so verzieren wir diese Papierstücke mit Farben und Bildern, ja sogar Abbildungen von uns selbst stellen wir dar. Und schließlich bestimmen wir als kommunikative Wesen im Diskurs, welchen Wert die Scheine besitzen sollen. Und wir konnten das nur machen, weil wir kreative, kommunikative Wesen mit Character und Persönlichkeit sind.
Wir haben Geld erschaffen, wir haben Autorität über Geld, wir schreiben es einen Wert zu.
Warum sollte es beim Wert unseres Lebens anders sein?
Das Geld bestimmt nicht seinen eigenen Wert, sondern hört auf uns.
Sollte unser Wert nicht dann auch von einer Autorität stammen?
Was ist diese Autorität?
Das Universum ist es wohl nicht. Nein, diese Autorität muss ja Kreativität besitzen. Sie braucht einen Character und eine Vielzahl an Ideen. Sie muss kommunizieren können und vor allem muss sie schaffen können. Und genauso wie wir uns auf unserem Geldschein abbilden, denke ich mir, dass sie sich in uns abbilden würde.
Diese Autorität, die uns einen Wert zuschreibt, kann nur eines sein: ein kreativer Schöpfer.
Unser kreativer Schöpfer formte uns und gab uns einen Wert, den wir nicht loswerden können.
Wenn wir behaupten, dass der Mensch seinen Wert vom Schöpfer verliehen bekommt, gibt es ebenfalls weitreichende Folgen. Sollte also jemand einen Mitmenschen als weniger wertvoll behandeln, dann begeht er ein großes Übel.
Was sagt das über unser Handeln gegenüber dem Ausländer oder dem Obdachlosen?
Was sagt das über unser Handeln gegenüber ungeborenen Babys?
Es wäre größtes Übel, wenn der Schöpfer einer Person behauptet, sie sei nach seinem Abbild gemacht, ich aber auf sie herabschaue.
Es wäre größtes Übel, wenn der Schöpfer von einer Person behauptet, dass er sie sehr liebe, ich sie jedoch von Herzen hasse.
Und was ist, wenn der Schöpfer ein neues Leben nach seinem Abbild formt, das er liebt und ich entscheide, dass es mein Recht ist, dieses junge Leben zu beenden?
Das wäre größtes Übel, denn ich bin nicht der Herr der Wertgebung. Stattdessen würde ich gegen den wahren Herrn der Wertgebung verstoßen.
So scheint es nun zu sein, dass wir eine Frage und zwei Antwortmöglichkeiten haben:
Bekommt der Mensch seinen Wert vom Menschen verliehen?
1. Ja, sein Wert wird vom Menschen verliehen und dieser Wert ändert sich somit mit dem Wandel der Kultur, den gesellschaftlichen Normen, und den subjektiven Wertvorgaben der Mitmenschen.
2. Nein, der Wert des Menschen entstammt seinem Erschaffer. Der Wert des Menschen ist für den Menschen unantastbar.
Welche Antwort ist wahr?
Wie beeinflusst die Antwort unseren Umgang mit anderen Menschen?
